Motivationsschreiben

Sprache ist kein Widerstand.

Es sei denn, jemand schreibt schlecht. „Es tut mir leid für diese Personen, aber ich sah keine Möglichkeit ihnen zu helfen.“ Sagt ein Wachmann über die Immernochmenschen, die er solange bewacht hat bis sie Nichtmehrmenschen waren. „Ich erinnere mich an die neunziger Jahre wie an eine verschlafene, ruhige Zeit, […] an die institutionelle Kontinuität mit der Diktatur, an die Übereinkommen, die Straflosigkeit bevorzugten, Anschub für eine neoliberale Wirtschaft. Ich erinnere mich an den damaligen Präsidenten, Patricio Aylwin, als er verkündete, dass es in Chile‚ im Bereich des Möglichen‘ zu Gerechtigkeit gekommen wäre.“ Sprache redet vom Möglichen. Widerstand hindert dich wirklich. Und lässt dich nicht durch.

Sprache ist kein Zufluchtsort.

Menschen fliehen in sichere Länder oder sterben. Anne Frank ist geflohen und trotz ihres Tagebuchs gestorben. „Anne Frank. Autorin. Anneliese Marie ‚Anne‘ Frank war ein deutsches Mädchen, das 1934 mit seinen Eltern und seiner Schwester Margot in die Niederlande auswanderte, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, und kurz vor dem Kriegsende dem nationalsozialistischem Holocaust [sic!] zum Opfer fiel.“ Sie passt nicht in das Buch hinein, wenn es klopft (Aufmachen, Polizei). Es ist egal, was sie sagt. Víctor Jara sang. Vierundvierzig Schusswunden später war er tot. Sprache bringt dich nicht weg, wenn es nötig ist. Sie finden dich, wenn du sprichst. Sie finden dich, wenn du singst.

Zusatzinfo: Der Text ist im Rahmen der Autor*innenwerkstatt „entreLíneas“ des Goethe-Institut Chile entstanden. Weitere Texte (Sp./D.) auf www.goethe.de/entrelineas.

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